Bedeutung Grenzregionen im Fokus Parlamentarischen Abend ERW

20-12/24


Welchen Wert haben die Grenzregionen in Europa? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines parlamentarischen Abends am Donnerstag, 12. Dezember, der von der Euregio Rhein-Waal und der Provinz Gelderland organisiert wurde.

 

Die Europaabgeordneten Jeannette Baljeu (VVD) und Jens Geier (SPD) diskutierten diese Frage in zwei Gesprächsrunden. Themen waren unter anderem Landwirtschaft, Bildung, Kriminalität und Windräder. Moderiert wurde der Abend auf Niederländisch und Deutsch von Andreas Gebbink, leitender Lokalredakteur der NRZ in Kleve und Emmerich und Experte für die deutsch-niederländischen Beziehungen.

Nach der Begrüßung durch Hubert Bruls, Bürgermeister von Nijmegen und Vorsitzender der Euregio Rhein-Waal, sprach Sjoerd van der Heijden, ehemaliger Masterstudent der Humangeographie an der Radboud Universität, über die Europawahlen in der Grenzregion. Er untersuchte die territoriale Identität in der niederländischen Politik und im Europäischen Parlament. So zeigte er auf, dass in der niederländischen Politik deutliche Unterschiede zwischen Parteien mit lokaler, nationaler oder kosmopolitischer Identität zu erkennen sind. Die erste Gesprächsrunde mit den Europaabgeordneten stand ganz im Zeichen des Fehlens der europäischen Grenzregionen in den Wahlprogrammen zu den Wahlen zum Europäischen Parlament im vergangenen Juni. Und das, obwohl die Grenzregionen in den 1990er Jahren noch als Motor des europäischen Einigungsprozesses galten.

 

Strukturfonds auf der Kippe

Das Wahlprogramm der VVD drehte sich um Europa als politischen Akteur, die Migrationspolitik, wirtschaftliche Fragen und die Digitalisierung. Sie betonte auch die Notwendigkeit, die bestehenden Strukturfonds zu reformieren. Künftig sollen die Gelder direkt an die Mitgliedstaaten ausgezahlt werden, statt in die Strukturfonds zu fließen. Das wirft die Frage auf, was das für Interreg- und Euregio-Projekte bedeutet. Die Euregios befürchten, dass der Wegfall der Strukturfonds große Nachteile für die Grenzregionen mit sich bringen könnte, da die nationalen Regierungen den Grenzregionen oft weniger Aufmerksamkeit schenken. Sie haben bereits eine gemeinsame Resolution für deren Erhalt unterzeichnet.

Moderator Gebbink fragte die Parlamentarier auch nach den Auswirkungen des Rechtsrucks auf die Arbeit im Europäischen Parlament. Geier, der seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments ist, stellte fest, dass der Ton im Parlament aggressiver geworden ist. Es wird auch darauf hingewiesen, dass eine große Gruppe von Christdemokraten danach strebt, Mehrheiten über die Rechte zu gewinnen. Auch die Grenzkontrollen wurden diskutiert. Offene Grenzen sind seit vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit für die Grenzregion und sorgen für Zusammenarbeit, wirtschaftliche Vorteile und soziale Kontakte, waren sich Baljeu und Geier einig.

 

Europäische Agrarpolitik

Nach der Pause hielt Dr. Gerry van der Kamp-Alons, außerordentliche Professorin für Internationale Beziehungen am Fachbereich Politikwissenschaft der Radboud Universität Nijmegen, einen anregenden Vortrag über die europäische Agrar- und Ernährungspolitik. Ging es früher um die Ernährungssicherheit, so liegt der Schwerpunkt jetzt zunehmend auf der Nachhaltigkeit. Doch es gibt noch viel zu tun: Wie kann diese Politik zukunftssicher, effizienter und unbürokratischer gestaltet werden? Für die Landwirte sind eine langfristige Vision und eine klare, praktikable Politik besonders wichtig“, so van Van der Kamp-Alons.

Tatsache ist, dass ein jetzt abgeschlossenes europäisches Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten vor großen Herausforderungen steht. Das Parlament hat kürzlich erneut gegen dieses Abkommen mit den südamerikanischen Ländern Brasilien, Argentinien, Uruguay, Bolivien und Paraguay gestimmt, weil es einen unlauteren Wettbewerb für die europäischen Landwirte befürchtet. Sollten wir uns weiterhin auf den Freihandel verlassen oder brauchen wir auch eine Form des Protektionismus? Baljeu spricht sich für das Freihandelsabkommen aus und ist froh, dass das Mercosur-Abkommen endlich abgeschlossen werden konnte. Für Jens Geier ist es besonders wichtig, dass die Sicherheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz respektiert wird und dass das Abkommen keine Kinderarbeit unterstützt.

Ausbeutung von Arbeitsmigranten

Die Zahl der Arbeitsmigranten in der Grenzregion ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Aufgrund der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt ist die Nachfrage nach Arbeitskräften hoch, und die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt erschwert die Suche nach einer guten Unterkunft für neue Arbeitskräfte ebenfalls. Zeitarbeitsfirmen versuchen, dieses Problem zu lösen, indem sie sowohl die Anwerbung als auch die Unterbringung von Arbeitsmigranten übernehmen. Entlang der Grenze kommt es zu kniffligen Situationen, wenn Wanderarbeiter regelmäßig bei niederländischen Unternehmen anheuern, um dann auf der anderen Seite der Grenze in Deutschland untergebracht zu werden - oft unter miserablen Bedingungen. Dies macht es für die für die Kontrolle und Überwachung zuständigen Stellen schwierig, diese Form der Ausbeutung in den Griff zu bekommen.

 

Erneuerbare Energien

Ein weiteres wichtiges Thema innerhalb der EU ist die Gewinnung erneuerbarer Energien. Grenzüberschreitende Energieprojekte sind in der Regel schwierig zu realisieren, da die nationale Gesetzgebung oft Hindernisse aufbaut. Dabei gibt es in den Niederlanden und in Nordrhein-Westfalen viele Projektideen für mehr Zusammenarbeit bei der Energieerzeugung und -verteilung, wie z. B. die Förderung von Energiegemeinschaften, Energieknotenpunkten und Experimentierräumen für grenzüberschreitende Wärmenetze, Aquathermie oder Geothermie. Wie kann Europa diese Art der Zusammenarbeit fördern? Baljeu und Geier waren sich einig, dass mehr europäische Energiepolitik gemacht werden sollte, auch um die Abhängigkeit von Energie außerhalb der EU zu verringern. Baljeu nannte ausdrücklich den Delta-Rhein-Korridor, ein Großprojekt zum Bau unterirdischer Wasserstoff- und CO2-Pipelines vom Hafen Rotterdam über Moerdijk nach Deutschland.

Ein weiteres heißes Thema ist die Aufstellung von Windkraftanlagen in der deutsch-niederländischen Grenzregion. In der Nähe von Winterswijk, Emmerich und Kranenburg sollen Windkraftanlagen entstehen: Pläne, die auf der niederländischen Seite der Grenze Widerstand hervorrufen und sensible Natura-2000-Gebiete direkt betreffen. Brauchen Grenzregionen eine stärkere europäische Planungsgesetzgebung, die die Interessen auf beiden Seiten der Grenze berücksichtigt? Die Abgeordneten waren sich dieser Problematik in der Grenzregion nicht ausreichend bewusst und wollen nun prüfen, inwieweit sie hier helfen und vermitteln können.

 

Grenzüberschreitende Kriminalität

Ein weiteres Thema, das den Bewohnern und Verwaltern der Grenzregion Sorgen bereitet, ist die zunehmende Kriminalität, zum Beispiel in Form von bewaffneten Raubüberfällen. Niederländische Hausbesetzerbanden haben ihren Aktionsradius nach Deutschland verlagert: Hier sind die Geldautomaten oft gut bestückt und weniger gut gesichert als in den Niederlanden. Die Kriminalität macht nicht an der Grenze halt, weshalb Bundestagsabgeordnete eine engere Zusammenarbeit zwischen niederländischen und deutschen Polizeikräften in der Grenzregion gefordert haben.

 

Interreg als Schmieröl

In seinem Schlusswort dankte Harold Zoet, Abgeordneter der Provinz Gelderland, den Anwesenden für die lebhafte und offene Diskussion und betonte, dass die Grenzregionen mehr Aufmerksamkeit verdienen: „Im Vorfeld der Europawahlen hat sich gezeigt, dass die Grenzregionen oft zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, obwohl sie Europa im Kleinen repräsentieren. Diese Regionen verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit und unser Engagement“. Zoet rief die Anwesenden auch dazu auf, sich für die Beibehaltung der Interreg-Mittel auf regionaler Ebene einzusetzen. „Interreg wirkt wie ein Schmiermittel zwischen den Grenzen und ermöglicht innovative Projekte. Es ist wichtig, dass diese Mittel nicht über die nationalen Regierungen verteilt werden, sondern dort bleiben, wo sie am meisten gebraucht werden: in Grenzregionen wie der unseren.“


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